Festansprache der Schulleiterin

Dr. Anke Holl

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Festgemeinde,  

es gibt sie, diese besonderen Tage, an denen sich die Melanchthon-Schule ein wenig anders darstellt als üblich, an denen ein anderer Glanz in unserer Schule herrscht als sonst. Und wenn ich uns so anschaue, dann gehört dieser Tag heute unbedingt dazu: vor fast 75 Jahren, um genau zu sein, am 2. Mai 1948, ist unsere Schule von der Landeskirche von Kurhessen Waldeck als Schulträgerin übernommen worden.  Es ist mir eine große Freude, unser 75jähriges Jubiläum mit Ihnen gemeinsam im Rahmen des heutigen Festaktes feiern zu dürfen. Und so begrüße ich Sie alle ganz herzlich.  

Ich begrüße Frau Prof. Dr. Neebe, Herrn Dr. Dorhs und Herrn Dr. Mantey von der Landeskirche.  

Ich heiße herzlich willkommen die Bürgermeister der uns umgebenden Städte und Gemeinden, insbesondere Herrn Fritsch und danke ihm jetzt schon für seine noch kommenden Worte.  

Ich begrüße sehr herzlich Herrn Siesenop vom Schulamt in Fritzlar sowie die Mitglieder unseres Pädagogischen Beirates.  

Ich grüße ganz herzlich unsere Lehrerinnen und Lehrer, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unsere Schülerinnen und Schüler und für alle gilt: ehemalige wie aktuelle. Ich begrüße unsere Eltern, insbesondere Herrn Stiel und Frau Schäffer als Vorsitzende des Schulelternbeirats sowie Frau Helwig und Herrn Dorn als Vorsitzende unseres Fördervereins. Ich freue mich über die Vertreter*innen unserer Kirchengemeinden, Herr Wachter seien Sie gegrüßt, und über die vielen Wegbegleiter*innen und Förder*innen unserer Schule. Und nicht zuletzt begrüße ich die ehemalige Schulleiterin, Frau Kaiser, den ehemaligen Schulleiter, Herr Otto, und für die Barbara-Schadeberg-Stiftung Frau Ulrich. 

Schön, dass Sie alle von nah und fern unserer Einladung gefolgt sind. 

Ein solches Jubiläum ist Anlass zur Freude und zur Dankbarkeit. Freude darüber, dass unsere Schule seit 75 Jahren Bildung und Erziehung im christlichen Aufmerksamkeitshorizont bietet. Und Dankbarkeit dafür, dass es in all den vielen Jahren Menschen gegeben hat, die sich mit viel Engagement und Herzblut für genau diesen Doppelauftrag von Schule, gewürzt mit christlicher Haltung und Anschauung, eingesetzt haben. 

75 Jahre Melanchthon-Schule – das sind 75 Jahre mit Höhen und Tiefen, mit Erfolgen und Herausforderungen. 75 Jahre, in denen versucht wurde und immer noch wird, gute Schule in evangelischer Trägerschaft zu machen. Doch was heißt das? Herr Prof. Dr. Kaiser hat in der Festschrift zum 50jährigen Jubiläum geschrieben, dass sich die Landeskirche 1948 „unter den besonderen Umständen und den drängenden Erfordernissen der frühen Nachkriegszeit“ genötigt sah, eine Schule in ihre Trägerschaft zu übernehmen, für die es noch gar kein Konzept gab.  

Von daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass mit der Gründung unserer Schule seitens der Schule und der Trägerin eine Suchbewegung begonnen hat, die sich über die letzten 75 Jahre mit der Frage beschäftigt hat, wie kann gute Schule in evangelischer Trägerschaft gestaltet werden? Ich erlaube mir im Folgenden ein wenig auf mein Steckenpferd, evangelische Schule und evangelische Bildungsverständnis, einzugehen.  

Im protestantischen Verständnis ist der christliche Glaube ein Rechtfertigungsglaube. Vor dem Hintergrund der befreienden Botschaft des Evangeliums ist dieser Glaube, der persönlich und selbstständig sein sollte, allein auf die Rechtfertigung und Gnade Gottes bezogen. Da für dieses Verständnis die Kenntnis der biblischen Überlieferung konstitutiv ist, war für die Reformatoren Bildung als Voraussetzung und Folge des Glaubens wichtig. Im Kontext der Reformation entwickelten sich die Grundlagen für das Bildungswesen, wie es in seinen Grundstrukturen noch heute Bestand hat: Zum einen forderte Martin Luther 1524 in seiner Schrift an die Ratsherren, dass „sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen“. Zum anderen entwarf 1528 Philipp Melanchthon ein Bildungsprogramm, das in der kursächsischen Schulordnung Berücksichtigung fand und sich zum Vorbild protestantischer Lateinschulen entwickelte. Neben einem christlich geprägten Schulwesen in staatlicher Trägerschaft (Luther) entstand ein evangelisches Schulwesen (Melanchthon). Auf der Grundlage dieser geschichtlichen Entwicklung wird im Protestantismus eine Verantwortung für eine allgemeine Bildung sowohl im staatlichen Schulwesen als auch an Schulen in evangelischer Trägerschaft empfunden. Eine allgemeine Bildung umfasst in unseren heutigen Zeiten die Ermöglichung, sich die Welt in ihren sprachlich-musischen, mathematisch-naturwissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Dimensionen erschließen zu können.  Der Bildungsforscher und Mitglied der Leopoldina, Jürgen Baumert, spricht dabei von den vier Modi der Weltbegegnung und der Welterschließung und bezieht als vierte Dimension die religiöse Modellierung mit ein, die sich mit den Grundfragen und der Grunddeutung des Lebens beschäftigt.   Und genau in diesem Kontext verstehe ich unsere Arbeit an der Melanchthon-Schule: Einen Zusammenhang von Lernen, Wissen, Können/Kompetenzen, Wertbewusstsein, Haltung und Einstellung und verantwortungsbewusste Handlungsfähigkeit im Horizont sinnstiftender Deutung des Lebens herzustellen.  Wir wollten und wollen unseren Schülerinnen und Schülern nicht nur Wissen und eine akademisch exzellente Ausbildung vermitteln, sondern auch soziale Kompetenzen entwickeln und Möglichkeiten anbieten, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Wir wollten und wollen unsere Schülerinnen und Schüler nicht nur auf die Bedarfe des Arbeitsmarktes ausbilden und sie auf ihr späteres Berufsleben vorbereiten, sondern ihnen auch Möglichkeiten schaffen, ein verantwortungsbewusstes Leben für sich selbst, ihren Mitmenschen und vor Gott führen zu können.  

Auch wenn wir heute feiern, wollen wir auch in Zukunft an unserer Suchbewegung hinsichtlich einer guten Schule in evangelischer Trägerschaft festhalten und uns den Herausforderungen stellen, die auf uns zukommen werden. Wir wollen auch in Zukunft unseren Schülerinnen und Schülern eine qualitativ hochwertige Bildung und Erziehung im christlichen Aufmerksamkeitshorizont bieten und sie auf dem Weg zu selbstständigen, selbstbewussten und verantwortungsvollen Persönlichkeiten begleiten. Wir wollen auch weiterhin Lern- und Lebensort mit dem Angebot für religiöses Erleben und Erfahren verbinden und dies nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern für alle, die unsere Schule mitgestalten. Wir setzen auch weiterhin auf eine breite Palette an Fächern, Angeboten und Aktivitäten, die zum einen auf die Allgemeine Hochschulreife vorbereiten und zum anderen die individuelle Persönlichkeitsentwicklung fördert und fordert. Wir wollen weiterhin Schule der Region und offen für Vielfalt sein.  

Wir leben in einer sehr komplexen und nicht linear zu denkenden Welt. Wir lehren und lernen in unruhigen Zeiten. Haben wir vor gut 3 Jahren noch geglaubt, unsere Schülerinnen und Schüler für eine friedvolle Zukunft auszubilden, so sind die Corona-Pandemie, die Wirtschaftskrise und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine dazwischengekommen und die Welt hat ein anderes Gesicht bekommen. Umso wichtiger erscheint es mir, Wissen mit christlichem Verantwortungsbewusstsein, demokratischem Engagement und Mitmenschlichkeit zu kombinieren.  

Und damit ist für mich der Bogen zur Gründung gespannt. Ich zitiere Wolfgang Paeckelmann vom 2.5.1948 in der Übersetzung von der lateinischen in die deutsche Sprache von Dr. Manfred Dippel:  

„Der segensreich wirkenden Melanchthon-Schule, der hochberühmten Tochterschule, die abstammt von der öffentlichen Kasseler Wilhelm-Schule, welche in den lebensgefährlichen letzten Kriegstagen nach der Zerstörung ihres Kasselers Gebäudes durch Brandbomben dort Zuflucht gefunden hatte, entbietet die Mutterschule am Tage, an dem jene selbstständig geworden ist, das größtmögliche Wohlergehen, verbunden mit den besten Wünschen, die aus tiefsten Herzen kommen. Möge sie, darum bitten wir, immer das bleiben, was sie bisher war: eine Heimstätte für Heranwachsende, die aus Heim und Heimat vertrieben worden sind. In der zuverlässigen Obhut der hessischen Kirche möge sie aufblühen, möge sie bilden Menschen, die mit Ehrfurcht vor Gott und jedwedem Erhabenen ausgestattet, aufrecht und frei von Furcht ihren Lebensweg gehen, geleitet von der Liebe zum Volk, zur Heimat und zu allen Menschen jeglicher Art. Möge sie werden eine Pflanzstätte edelsten Menschentums! Dies möge Gott segnen.“ 

Zum Schluss möchte ich nochmals allen danken, die dazu beigetragen haben, dass unsere Melanchthon-Schule seit 75 Jahren ein Ort der Bildung, Erziehung und Persönlichkeitsentwicklung durchzogen von einem christlichen Menschen- und Bildungsverständnis ist. Ich bedanke mich herzlich für das Vertrauen unserer Schülerinnen und Schüler, ihrer Eltern und ich bedanke mich herzlich, bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unseren externen Partnerinnen und Partnern für Ihre nachhaltige und ausdauernde Unterstützung eines schulischen und gesellschaftlichen Minderheitenangebots. Ich bedanke mich besonders für die Unterstützung am heutigen Tag, und freue mich darauf, gemeinsam mit Ihnen allen auch in Zukunft für unsere Schule zu arbeiten.  Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihr Kommen und wünschen uns gemeinsam einen schönen und unvergesslichen Jubiläumstag. Vielen Dank. 

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