Liebe Leserinnen und Leser,
vor dem Schuljubiläum habe ich mir das Programm der Melanchthon-Schule noch einmal genauer angeschaut – und bin fast ein bisschen neidisch geworden: Was hier möglich ist und was Schülerinnen und Schülern angeboten wird, das hätte ich zu meiner Schulzeit auch gerne gehabt! Ich habe mich an meine Sehnsucht als Schülerin erinnert, in der Schule nicht nur möglichst viel lernen zu müssen, sondern als Mensch ernst genommen zu werden und Schule mitgestalten zu dürfen.
Wahrscheinlich gefällt mir deshalb dieser Satz von Melanchthon so gut: „Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren“. Melanchthon beschreibt damit nicht eine höfliche, harmlose Konversation, sondern das intensive einander Zuhören und Gedanken austauschen und um Positionen ringen, das uns wachsen lässt. Melanchthon selbst ist das beste Beispiel dafür, wie man auch in Konfliktsituationen den Gesprächsfaden nicht abreißen lässt. Immer wieder hat er in den Auseinandersetzungen der Reformationszeit das Gespräch mit Andersdenkenden gesucht und um gemeinsame Standpunkte gerungen.
Schule, das war Melanchthon ganz wichtig, sollte so gestaltet sein, dass Schüler*innen Gelegenheit haben, selbst zu Wort zu kommen und eigene Gedanken zu formulieren.
Aus evangelischer Sicht ist das grundlegend für das Wachsen im Glauben: Der fällt nicht einfach vom Himmel, sondern ist ein Suchen und Ringen um das, was trägt, was Kraft gibt und frei macht. Das Gespräch mit anderen, die auch suchen und fragen, ist dabei eine wichtige Hilfe. Und der Religionsunterricht und das Miteinander an dieser Schule können dafür wichtige Räume sein.
Ich wünsche allen, die diese Schule besuchen, dass Sie diese Schule als Raum zum Wachsen erleben, in dem Sie sich einbringen und ausprobieren können, in dem Sie durch Widerspruch und Reibung als Persönlichkeit wachsen und wo Sie lernen, Ihren Glauben und Ihre Überzeugungen auszudrücken und weiterzuentwickeln.
Allen Verantwortlichen an dieser Schule danke ich sehr herzlich: Erst durch Ihr Wissen, Ihren Glauben und Ihr persönliches Einstehen für das Miteinander, für Themen und Inhalte wird diese Schule zu einem solchen Raum zum Wachsen!
Möge das weiterhin segensreich gelingen!
Ihre
Beate Hofmann
Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck